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Zoe Pohle

Institut für Wirtschaftsinformatik begrüßt Dr. Johannes Sedlmeir

Am 01. April 2025 durfte das Institut für Wirtschaftsinformatik Dr. Johannes Sedlmeir als Vertretungsprofessor für Statistics, Security & Trust begrüßen.

Nach seinem Master im Elitestudiengang Theoretical and Mathematical Physics promovierte er an der Universität Bayreuth und dem Institutsteil Wirtschaftsinformatik des Fraunhofer FIT zu Herausforderungen und Potenzialen bei der Anwendung von Blockchain-Technologie in Organisationen. Seit Oktober 2022 forschte er in der Gruppe FINATRAX (Digitale Finanzdienstleistungen und organisationsübergreifende digitale Transformationen) am Interdisciplinary Centre for Security, Reliability and Trust (SnT) der Universität Luxemburg. Dort untersuchte er sowohl ökonomische als auch technische Aspekte von neuen digitalen Technologien, insbesondere im Bereich angewandter Kryptographie. Ein besonderer Forschungsschwerpunkt liegt dabei neben Blockchain-Technologie auf digitalen Brieftaschen (das zugrundeliegende Paradigma ist auch bekannt als „Self-Sovereign Identity“). Dr. Sedlmeir ist zudem Dozent an der Norwegischen Handelshochschule (NHH) und hält dort zweimal jährlich Blockseminare zu Blockchain-Technologie und digitalem Identitätsmanagement.

Wir heißen Dr. Johannes Sedlmeir herzlich am Institut für Wirtschaftsinformatik willkommen und haben ihm zu Beginn seiner Tätigkeit ein paar Fragen gestellt:

Lieber Herr Dr. Sedlmeir, nach Ihrer Zeit in Luxemburg setzen Sie Ihre wissenschaftliche Laufbahn an der Universität Münster fort. Was hat Sie dazu bewegt, nach Deutschland zurückzukehren und an der Universität in Münster zu lehren und zu forschen?

Zum einen genießen die Universität Münster allgemein und insbesondere das Institut für Wirtschaftsinformatik einen exzellenten Ruf, und ich bin mir sicher, dass die Universität und das dort gegründete European Research Center for Information Systems (ERCIS) für meine interdisziplinäre Forschung die perfekte Umgebung bieten. Zudem gibt es zu den inhaltlichen Schwerpunkten meiner neuen Kolleginnen und Kollegen viele Anknüpfungspunkte, sowohl methodisch (bspw. Design Science Research) als auch inhaltlich (bspw. neue Mobilitätskonzepte, die Erkennung sowie Bekämpfung von Desinformation sowie das Management organisationsübergreifender Prozesse), zu denen ich mich gerne mit ihnen austauschen möchte. Außerdem möchte ich gerne dazu beitragen, die Themen digitales Identitätsmanagement und Anwendungen moderner Kryptographie in den Bereichen Sicherheit, Datenschutz und Vertrauen in Daten an einem neuen Wirkungsort zu etablieren und in die Lehre und Forschungsprojekte zu tragen.

Ich freue mich auch sehr darauf, an der Universität Münster große und für einen Wirtschaftsinformatik-Studiengang stark technisch-orientierte Grundlagenvorlesungen halten zu dürfen, da in meiner bisherigen Arbeit ein stärkerer Fokus auf Industriekooperationen und spezialisierten Seminaren lag und ich daher in der Lehre eher auf kleinere und spezialisiertere Angebote beschränkt war. Seit meiner Studienzeit bereitet mir die Lehre große Freude und ich hoffe, dass ich die Studierenden in den Vorlesungen für meine Forschungsthemen begeistern und gleichzeitig die Relevanz von Grundlagenausbildung für aktuelle Herausforderungen in der Gesellschaft und Wirtschaft herausarbeiten kann.

Einer Ihrer Forschungsschwerpunkte sind digitale Identitäten. Worum genau geht es dabei und was fasziniert Sie besonders an diesem Thema?

Digitales Identitätsmanagement ist sowohl hinsichtlich IT-Sicherheit als auch der Effizienz von auf Datenaustausch und Zugriffsrechten basierenden Prozessen eine der Grundvoraussetzungen für eine erfolgreiche digitale Transformation. Das heutige Identitätsmanagement ist extrem fragmentiert – sowohl für Endnutzende als auch für Organisationen und vernetzte Geräte. Dies führt unweigerlich zu niedriger Nutzerfreundlichkeit, Sicherheitslücken, hohen Kosten und Lock-in Effekten bei Anbietern von Lösungen für IAM-Systeme. Mit einem einheitlichen, nutzerzentrierten System, das moderne Kryptographie nutzt und maschinenüberprüfbare Identitätsnachweise lokal speichert, können diese Herausforderungen adressiert werden. Gleichzeitig steigt in einem auf „digitalen Brieftaschen“ basierenden Ansatz die Kontrolle von Nutzenden darüber, welche Daten sie an welche Organisationen weitergeben, was die übliche Kritik an mangelndem Datenschutz im digitalen Raum weitgehend adressieren kann. Weiter ist die Reduktion von Abhängigkeiten digitaler Identitäts-Ökosysteme auch ein Schlüssel für mehr europäische digitale Souveränität, etwa als Alternative oder Ergänzung zu Single Sign-On Lösungen großer Technologie-Plattformen sowie der Web-PKI. Zu guter Letzt ermöglichen sichere digitale Identitäten auch maschinell überprüfbare Bewegungsdaten, auf deren Basis die Erstellung vieler digitaler Nachweise insbesondere in organisationsübergreifenden Prozessen erst möglich wird.

Auf der anderen Seite sind aber in der Vergangenheit auch viele Projekte für eine Verbesserung des digitalen Identitätsmanagements an verschiedenen technischen und nicht-technischen Hürden gescheitert. Insofern finde ich es sehr spannend, aus diesen Versuchen zu lernen und bei der hoffentlich diesmal erfolgreichen Umsetzung tatkräftig zu unterstützen, sowohl als wissenschaftlicher Beobachter als auch durch die Entwicklung innovativer Lösungen für und basierend auf digitalen Identitäten. Ich schätze ebenso die Kombination kryptographischer und ökonomischer Aspekte bei der erfolgreichen Implementierung digitaler Brieftaschen, die interdisziplinäre Forschung nötig machen und eine ganzheitliche Perspektive aufzeigen, die auch in anderen Bereichen der digitalen Transformation wertvolle Einsichten bieten kann.

An welchen Forschungsprojekten arbeiten Sie derzeit?

Das SnT zeichnet sich – ähnlich den deutschen Fraunhofer-Instituten – durch einen sehr starken Industriebezug aus, bei dem Forschungsprojekte stark bedarfsorientiert und interdisziplinär sind. Meine aktuellen Lieblingsprojekte beschäftigen sich mit durch das vierjährliche „Halving“ induzierten potenziellen Sicherheitsproblemen von Bitcoin, der Kontroverse um qualifizierte Webseitenzertifikate und europäische digitale Souveränität zwischen Browser-Anbietern, der Europäischen Kommission und europäischen Vertrauensdiensteanbietern im Rahmen der Novellierung der eIDAS-Verordnung, sowie Anwendungen digitaler Brieftaschen in Organisationen und allgemeine Sicherheits- und Datenschutzherausforderungen, die sich aus dem aktuellen Implementierungsplan der Europäischen digitalen Brieftaschen (EUDI Wallets) ergeben. Daneben beschäftige ich mich aber auch mit der Entwicklung von verifizierbaren datengetriebenen Prozessen zwischen Finanzinstitutionen sowie mit der Datenschutz-orientierten Tokenisierung von Kunstwerken auf öffentlichen Blockchains – letzteres ist ein durch den Luxemburger Fonds National de la Recherche gefördertes öffentliches Forschungsprojekt, das ich in Kollaboration mit der APSIA-Forschungsgruppe für angewandte Kryptographie am SnT einwerben konnte und das mich letztlich nach Luxemburg gezogen hat.

Welche Kurse werden Sie künftig den Studierenden anbieten?

Im Sommersemester 2025 werde ich zwei Vorlesungen und zwei Seminare anbieten. In der Bachelor-Vorlesung „Security of Distributed Systems“ führe ich zunächst in allgemeine Grundlagen verteilter Systeme ein und gebe mit dieser Vorarbeit dann einen Einblick sowohl in klassische (bspw. Sicherheit von E-Mail und Web-PKI) als auch hochaktuelle sicherheitsbezogene Themen im Kontext verteilter Systeme, etwa Herausforderungen für die Sicherheit von Kryptowährungen und Blockchains sowie von digitalen Brieftaschen, wo sowohl kryptographische als auch ökonomische Design-Aspekte entscheidend sind. In der Master-Vorlesung „Trust and Security in Data Science“ werde ich zunächst Herausforderungen hinsichtlich der Zugriffskontrolle beim organisationsübergreifenden Datenaustausch sowie der Verifizierung der Herkunft und Vertrauenswürdigkeit von Daten aufzeigen. Anschließend betrachten wir typische Probleme und Paradoxa bei der Datenanalyse und statistische und kryptographische Lösungsansätze dafür. In den Seminaren geht es dann vertieft um allgemeinere aktuelle Themen bei den europäischen digitalen Brieftaschen und eine kritische Auseinandersetzung mit oft einseitigen oder durch Geschäftsinteressen getriebene Perspektiven auf Potenziale und Herausforderungen der Blockchain-Technologie. Um ein Beispiel zu nennen: Befürworter von Bitcoin-Mining bringen oft vor, dass Mining-Hardware gut abgeschaltet werden kann und damit Stromnetze stabilisiert, der Ausbau Erneuerbarer gefördert oder die Abwärme zum Heizen genutzt werden können. Dabei werden allerdings Gegenargumente manchmal unterschlagen, etwa, dass das Mining aus Netzsicht zunächst einmal ein zusätzlicher Verbraucher ist, dass die hohen Investitionen in Mining-Hardware ein netzdienliches Verhalten bei volatiler Erzeugung ökonomisch erschweren und dass das Heizen mit der Abwärme im Sommer wenig Sinn macht und im Winter gegenüber einer Wärmepumpe große Effizienznachteile aufweist. Sie sehen also, dass ich leidenschaftlich kontrovers diskutierte Themen mit einem hohen Grad an Interdisziplinarität aus der Brille der Wirtschaftsinformatik angehe, um dort für eine balancierte Perspektive zu sorgen, die dann den breiteren Diskurs informieren kann.

Im kommenden Wintersemester werde ich dann die Einführungsvorlesung Daten und Wahrscheinlichkeiten für Wirtschaftsinformatiker halten, worauf ich mich als ehemaliger mathematischer Physiker besonders freue.

Gibt es einen Kurs, der Sie besonders interessiert und den Sie selbst gerne einmal belegen würden?

Das ist wohl die schwierigste der Fragen, weil es einfach zu viele Themen gibt, die mich interessieren. Als begeisterter Anhänger der Elektromobilität würden mich beispielsweise Kurse zu Batteriemanagement bzw. der quantitativen Auswertung von Daten zur Batteriegesundheit im Betrieb, der System- bzw. netzdienlicheren Koordination von Ladevorgängen und der nutzerfreundlicheren Ladeplanung und Bezahlung interessieren. Auf der anderen Seite finde ich die mathematischen Grundlagen der neuesten Generation von künstlicher Intelligenz (Large Language Models) sehr spannend und möchte hier gerne noch tiefer in die leider oft unterschätzten Herausforderungen sowie Möglichkeiten, diese mit grundlegend anderen (bspw. neuro-symbolischen) Ansätzen zu ergänzen, einsteigen.