Unsere Wissenschaftlerinnen
Die Universität Münster sowie unser Institut treten für die Geschlechtergerechtigkeit ein und streben eine Erhöhung des Anteils von Frauen in Forschung und Lehre an. Hier teilen unsere Wissenschaftlerinnen am Institut ihre Erfahrungen über eine wissenschaftliche Karriere in der Wirtschaftsinformatik. Damit möchten wir Studentinnen ermutigen, eine akademische Laufbahn einzuschlagen.
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Dr. Bettina Distel
Seit wann arbeiten Sie am Institut und welche Aufgaben umfassen Ihren Tätigkeitsbereich? Ich arbeite seit 2013 am Institut, da habe ich als studentische Hilfskraft für zwei Doktorand*innen angefangen, die im Projekt „Vertrauen und Kommunikation in einer digitalisierten Welt“ der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) beschäftigt waren. Seit 2015 arbeite ich als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut und habe ebenfalls in diesem DFG-Projekt gearbeitet. Inhaltlich beschäftige ich mich mit der digitalen Transformation öffentlicher Verwaltungen. Dabei interessiert mich vor allem, was die Digitalisierung mit den Menschen macht, wie sich einerseits das Verhältnis der Gesellschaft zur Verwaltung und andererseits die Arbeit in der öffentlichen Verwaltung durch die Digitalisierung verändert.
Außerdem bin ich in der Lehre tätig, vor allem in den ersten beiden Semestern in den Einführungsvorlesungen im Bachelor, aber auch im Master und betreue Abschlussarbeiten. Besonders spannend finde ich es, Studierende über einen längeren Zeitraum auf ihrem Weg zum Abschluss begleiten zu können. Auch die akademische Selbstverwaltung gehört zu meinen Tätigkeiten. Seit etwa 2 Jahren bin ich Mitglied in der Gleichstellungskommission unseres Fachbereichs und stellvertretende Gleichstellungsbeauftragte. Auch das ist eine sehr spannende Aufgabe, die mir einen ganz neuen Blick auf den Fachbereich ermöglicht hat.Wie hat sich Ihr akademischer und beruflicher Werdegang gestaltet?
Studiert habe ich tatsächlich nicht Wirtschaftsinformatik: Meinen Bachelor habe ich in Romanistik gemacht, mit einem Schwerpunkt in französischer Sprachwissenschaft, und meinen Master in Kommunikationswissenschaft.
Die Wirtschaftsinformatik habe ich erst als studentische Hilfskraft im Master kennengelernt. Als die beiden Doktorand*innen, für die ich gearbeitet habe, ihre Promotionen abgeschlossen hatten, wurden ihre Stellen in dem Projekt frei. Dies war genau zu dem Zeitpunkt, als ich meine Masterarbeit geschrieben habe. Da habe ich mich als Nachfolgerin der beiden am Institut beworben.
Auch wenn mein Studium auf den ersten Blick nicht weiter weg sein könnte von der WI gibt es doch einige Überschneidungen – auch in meinem Studium stellte sich immer wieder die Frage, wie Digitalisierung und Technik Menschen, Sprache und Medien verändern. Das sind die Themen, die mich begeistern. Mich damit intensiv wissenschaftlich auseinandersetzen zu können, war letztlich auch der Grund meines Wechsels zur Wirtschaftsinformatik. Um als Fachfremde in der Wirtschaftsinformatik promovieren zu können, musste ich allerdings einige Kurse aus dem WI-Studium nachholen. Das war gerade am Anfang eine ziemliche Herausforderung, weil das Studium ganz anders strukturiert war, als ‚meine‘ Studiengänge – aber ich habe unglaublich viel gelernt und mich weiterentwickelt. Rückblickend war das eine gute Entscheidung.WI wirkt häufig wie ein männerdominiertes Arbeits- und Forschungsfeld. Was hat Sie dazu motiviert, als Frau in der WI akademisch tätig zu werden?
Ich komme aus einem sehr frauendominierten Feld und habe mir vorher überhaupt keine Gedanken dazu gemacht, dass das in der Wirtschaftsinformatik anders sein könnte. Gerade am Anfang musste ich mich sehr umstellen und mich in dem neuen Umfeld einfinden. Zu der Zeit war meine Entscheidung, in der WI zu promovieren, schon gefallen.
Nach der Promotion habe ich mich sehr bewusst dazu entschieden, in der WI weiterzumachen. Ich glaube, dass sie viele unterschiedliche Perspektiven braucht. Digitalisierung betrifft und durchdringt alle Lebensbereiche und so divers wie die Gesellschaft ist, so divers sollte auch unser Fach sein. Gerade in den letzten Jahren ist auch in der Wirtschaftsinformatik viel passiert: Es gibt tolle Netzwerke und neue thematische Schwerpunkte. Mir macht es sehr viel Spaß, aktiv an der Gestaltung einer diversen Wirtschaftsinformatik mitzuarbeiten.Was sind Vorurteile gegenüber der Arbeit im MINT-Bereich, die eigentlich nicht stimmen?
Das Vorurteil, dass MINT-Fächer trocken und sehr technisch sind, habe ich selbst lange geglaubt. Mich beeindruckt immer wieder die thematische Vielfalt in Lehre und Forschung, gerade auch, wenn man sich die internationale Community anschaut. Da kommen Menschen mit so vielen unterschiedlichen Hintergründen, Ideen und Themen zusammen, das habe ich früher nicht so gesehen.
Wie sieht Ihr typischer Arbeitstag aus?
Bei mir ist jeder Tag anders – zum Glück, so wird es nie langweilig. Meine Arbeit kann ich sehr frei gestalten, was ich voll ausnutze. Abgesehen von Lehrveranstaltungen habe ich zwar viele, aber nur wenige regelmäßige Termine. Seit letztem Jahr leite ich ein Teilprojekt im Rahmen der DFG-Forschungsgruppe „Digitale Mittelstadt der Zukunft“. Gemeinsam mit meinem Kollegen David Nowak untersuchen wir, wie sich Vertrauensbeziehungen in Städten durch Digitalisierung ändern. Wir führen dafür im Moment sehr viele Interviews mit Menschen aus Verwaltungen – viel digital, aber auch in unseren Partnerstädten vor Ort – die natürlich sauber ausgewertet werden müssen. Über unser Teilprojekt hinaus stehen wir im intensiven Austausch mit anderen Beteiligten der Forschungsgruppe, zum Beispiel Kolleg*innen aus der Soziologie, Politik- und Erziehungswissenschaft. Die gemeinsamen Termine und Absprachen, das gemeinsame Forschen und Publizieren in der Gruppe macht im Moment einen Großteil meines Arbeitsalltags aus.
Außerdem habe ich immer wieder Termine mit Studierenden, die ihre Abschlussarbeiten vorbereiten oder an Seminarthemen arbeiten. Gerade jetzt, kurz vor Beginn des neuen Semesters, bereite ich auch intensiv die nächsten Lehrveranstaltungen vor.Was war bisher Ihr spannendstes Projekt?
Das spannendste Projekt ist bisher das unserer Forschungsgruppe. Begonnen haben wir letztes Jahr. Aber die Arbeit ging schon lange vorher mit der Beantragung des Projektes bei der DFG los. Der Prozess war sehr spannend: Die Idee für ein Projekt zum Thema „Digitale Stadt“ ging von der WI aus. Wir haben erst einmal in kleiner Runde überlegt, welchen Schwerpunkt man setzen könnte. Schnell haben wir festgestellt, dass wir in der WI für ein gutes Projekt viele Perspektiven nicht bedienen können. Deshalb haben wir uns Partner*innen aus anderen Disziplinen gesucht, aus der Politik-, Erziehungswissenschaft, Soziologie und VWL.
Wir kannten uns vorher nicht gut, es gab kaum gemeinsame Vorarbeiten. So haben wir die ersten Monate viel Zeit investiert, um eine gemeinsame Basis und Sprache zu finden. Der formale Teil, also das Schreiben und Stellen des Antrags hat am Ende fast drei Jahre in Anspruch genommen. Zu sehen, wie die unterschiedlichen Disziplinen zusammenkommen und ein gemeinsames Ziel entwickeln, den formalen Prozess mitzuerleben und jetzt selbst an der interdisziplinären Forschungsarbeit mitzuwirken macht wirklich viel Spaß.Haben Sie Tipps für zukünftig interessierte Berufsanfängerinnen/Bewerberinnen?
Sei mutig und beharrlich und lass Dir von niemandem sagen, dass Du etwas nicht kannst! Rückblickend ist es das, was mich durch den Wechsel in die Wirtschaftsinformatik, durch die Promotion und auch die Jahre danach getragen hat. Egal, ob man am Anfang des Studiums steht, sich für eine Promotion entscheidet oder vor einem neuen Job steht, manchmal braucht es einfach den Mut, neue Wege einzuschlagen. Ein Fach, ein Job oder ein Thema zu wählen, das sich nicht so offensichtlich anbietet, neue Ideen auszuprobieren und sich damit auch selbst ein bisschen herauszufordern.
Aber dann braucht es auch etwas Beharrlichkeit, die eigenen Ideen umzusetzen, zu verteidigen, den eigenen Weg zu gehen und dafür einzustehen. Und das Schöne ist, zumindest habe ich das so erlebt, dass das auch belohnt wird. Unterwegs begegnet man tollen Menschen, die einen unterstützen, mit denen man gemeinsam Ideen umsetzen sowie etwas erreichen und aufbauen kann.
Vor meiner ersten internationalen Konferenz war ich sehr aufgeregt. Dort sollte ich mein Projekt zum ersten Mal vorstellen. Da war ich gerade 1,5 Jahre in der Wirtschaftsinformatik tätig. Ich hatte keine Ahnung, was mich erwartet und ob meine Idee nicht vielleicht zerrissen wird. Stattdessen habe ich sehr viel konstruktives Feedback zu meinem Projekt bekommen, vor allem aber eine bunte und sehr aufgeschlossene Community kennengelernt. Mit vielen Menschen, die ich dort zum ersten Mal getroffen habe, arbeite ich auch heute noch zusammen.
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Valerie Tan
Was ist dein Forschungsgebiet?
Ich bin seit etwas mehr als einem Jahr Doktorandin an der Juniorprofessur Digitale Transformation und Gesellschaft bei Prof. Benedikt Berger. Da ich noch recht neu bin, habe ich erst vor kurzem mein Promotionsthema eingegrenzt, das sich mit verteilter Künstlicher Intelligenz in Organisationen beschäftigt. Das ist ein neues Paradigma, das sich darin unterscheidet, wie viele KI-Modelle und Algorithmen für maschinelles Lernen bisher trainiert werden. Anstatt alle Trainingsdaten an einem zentralen Ort zu speichern, möchte ich untersuchen, wie sie verteilt verarbeitet werden können, ohne die Vertraulichkeit der Daten zu gefährden und wie sich dies auf Organisationen und deren Zusammenarbeit auswirkt. Das allgemeine Forschungsgebiet ist die verteilte KI und ich interessiere mich dafür, wie sich dadurch vieles ändern wird, insbesondere in der EU.
Wo hast du vorher studiert und was hat dich dazu bewogen zu promovieren?
Ich bin in den USA aufgewachsen und habe meinen Bachelor in Informatik an der Cornell University gemacht. Dort habe ich Deutsch gelernt und hatte großes Interesse daran, nach Deutschland zu gehen. Nach meinem Abschluss an der Cornell University bin ich deswegen für meinen Master in Medieninformatik an die RWTH in Aachen gegangen, was mir sehr viel Spaß gemacht hat. Danach wollte ich gerne in der Forschung bleiben. Während meines Masterstudiums habe ich als studentische Hilfskraft am Fraunhofer Institut gearbeitet und der Forschungsgeist dort hat mir sehr gefallen. Es ging um Augmented Reality, um neue Technologien und darum, zu erforschen, was auf uns zukommt. Ich fand das sehr interessant und wollte mehr darüber erfahren.
Warum genau promovierst du an der Universität Münster und am Institut für Wirtschaftsinformatik?
Ich habe mich für eine Promotion in Deutschland entschieden, weil die Promotionsprogramme in den USA sehr anderssind und mir die Art in Deutschland besser gefallen hat. Außerdem habe ich sehr gerne in Deutschland gelebt und konnte mir gut vorstellen zu bleiben.
Der Grund, warum ich mich für den Lehrstuhl für Wirtschaftsinformatik in Münster entschieden habe, war, dass ich schon einmal in Münster war und mir die Stadt sehr gut gefällt. Dann ist mir die Ausschreibung von Benedikt Berger zum Thema Digitale Transformation begegnet, die perfekt zu meinen Wünschen gepasst hat. Also habe ich mich beworben und bin sehr glücklich hier zu sein!Wie sieht dein typischer Arbeitstag aus?
Mein Arbeitsalltag ist unterschiedlich, je nachdem ob ich von zu Hause oder im Büro arbeite. Was aber immer gleich ist, ist dass ich meinen Tag immer mit einer Tasse Tee beginne. Abgesehen davon habe ich als Doktorandin und Wissenschaftlerin viele Hüte auf und je nachdem welcher Hut gerade Priorität hat, muss ich mich entscheiden woran ich arbeite. Vor allem im ersten Jahr gab es Tage, an denen ich hauptsächlich oder ausschließlich mit der Lehre beschäftigt war: Vorbereitung, Lehre, Benotung, Verwaltungsarbeit. Dann gibt es aber auch den Aspekt der Forschung, der viel Lesen, Organisieren und Nachdenken erfordert. Das Besondere am Fachbereich 4 der Wirtschaftswissenschaften ist, dass wir auch strukturierte Promotionsprogramme haben, wo wir Kurse belegen und uns weiterbilden können. Das ist sehr hilfreich und ein großer Vorteil. Ein weiterer Teil meines Tages besteht aus Meetings und anderen logistischen Aufgaben. Normalerweise ist mein Tag eine Kombination aus all diesen Dingen und mein Arbeitsalltag hängt auch davon ab, ob gerade Vorlesungszeit ist oder nicht.
Was gefällt dir an der Arbeit am Institut für Wirtschaftsinformatik in Münster?
Es gibt eine große Vielfalt an Menschen und man kann sich mit so vielen Leuten austauschen und etwas Neues über andere oder deren Forschung lernen. Und das hilft einem sehr bei der eigenen Forschung. Wir haben eine sehr gute forschungsorientierte Einstellung. Die Fakultät will uns wirklich helfen, erfolgreich zu sein. In diesem Semester habe ich einen Kurs über qualitative Forschungsmethoden belegt. Einiges wusste ich schon, aber einen Überblick über qualitative Forschung zu bekommen war sehr hilfreich. An meinem Lehrstuhl sind wir sehr offen für verschiedene Forschungsrichtungen und das finde ich sehr gut. Als Doktorandin kann man sich das Thema aussuchen, das einem am besten liegt und wir kombinieren alle unsere Stärken am Lehrstuhl.
Was gefällt dir an Münster am besten?
Ich fahre gerne Fahrrad! Es ist eine tolle Sache für mich, einfach mit dem Fahrrad von A nach B nach C fahren zu können, ohne Angst haben zu müssen, angefahren zu werden. Ich mag auch die Promenade - die separate Fahrradspur ist schön. Wo ich aufgewachsen bin, gab es so etwas nicht, das ist also etwas Neues für mich und ich liebe es! Außerdem gibt es einen See und einen Kanal. Das sind alles tolle Arbeitsbedingungen.
Wirtschaftsinformatik scheint oft ein von Männern dominiertes Arbeits- und Forschungsgebiet zu sein. Was hat dich als Frau motiviert, in der WI akademisch tätig zu werden?
Ich habe das große Glück, aus einer naturwissenschaftlich orientierten Familie zu kommen. Meine Eltern sind beide Ingenieure, sie haben mich und meine älteren Schwestern immer ermutigt uns für MINT-Fächer zu interessieren. Seit meiner Kindheit habe ich mich sehr dafür begeistert, habe aber auch mitbekommen, dass diese Bereiche von Männern dominiert werden. Was mir wirklich geholfen hat, war, dass meine Eltern, meine Familie, meine Freund*innen, meine Lehrer*innen und viele andere Menschen mich immer aktiv ermutigt haben, diese Fächer zu verfolgen. Es ist sehr hilfreich, Menschen zu haben, die an einen glauben. Das macht wirklich etwas aus. Obwohl es viele Männer in diesem Bereich gibt, gibt es auch viele Frauen und Männer, die mich unterstützt haben, die kein Problem damit haben oder nicht anders über mich denken, weil ich eine Frau bin.
Hast du Tipps für zukünftige Bewerberinnen und Berufseinsteigerinnen?
Als ich in den USA in der 8. Klasse war, musste ich mich in der Schule für Wahlfächer entscheiden und ich habe einen Kurs zur Spieleprogrammierung belegt. Ich hatte diesen Kurs mit 19 Schülern, unser Lehrer war ein Mann und ich war das einzige Mädchen in der Klasse. Ich war total eingeschüchtert, aber im Nachhinein war es gar nicht so schlimm. Vor allem die Leute, die neben mir saßen, waren super nett und sehr lustig. Ich glaube, die Idee ist, dass es normal ist, sich fehl am Platz zu fühlen, wenn man die Einzige oder eine der Wenigen ist. Aber das wird schon, vielleicht gibt es ein paar Schwierigkeiten, aber man sollte stolz darauf sein.
Außerdem hatte ich immer diese Vorstellung, wie mein Leben aussehen würde, wenn ich mein Leben in den Griff bekäme. Aber die Realität ist, dass man nicht dieses perfekte Ideal haben muss, das man erreichen will. Im Leben und insbesondere in der Forschung geht es darum, sein Bestes zu geben, um voranzukommen. Als ich jünger war, habe ich gehofft, dass mein zukünftiges Ich ihr Leben im Griff hat und alles perfekt organisieren und managen kann. Aber es ist in Ordnung, wenn man das Gefühl hat, noch nicht so weit zu sein. Das heißt nicht, dass sich X, Y und Z nie verbessern wird, das sollte einen nicht von einer Promotion abhalten. Der einzige Grund, warum man nicht promovieren sollten, ist, dass man kein Interesse an den Aufgaben hat, die damit verbunden sind.Hast du schon eine Vorstellung davon, was du nach der Promotion machen möchtest?
Ja, aber ich bin mir noch nicht hundertprozentig sicher. Ich könnte in der Wirtschaft arbeiten oder einen eher universitären akademischen Weg einschlagen, z.B. als Postdoc. Eine andere Möglichkeit wäre, für eine Forschungseinrichtung zu arbeiten. Ich bin noch dabei, die Vor- und Nachteile abzuwägen. Generell möchte ich mir viele Optionen offen halten und ich habe ja noch etwas Zeit.
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Miriam Möllers
Was ist dein Forschungsgebiet?
Ich bin seit März 2022 Doktorandin am Lehrstuhl für Digitale Transformation und Gesellschaft bei Jun. Prof. Benedikt Berger. Kurz gesagt beschäftige ich mich mit der Transformation der Arbeit durch die Nutzung von und Interaktion mit KI-basierten Systemen im Arbeitskontext. Insgesamt ist das ein sehr vielschichtiges und dynamisches Forschungsfeld, das vielfältige Themen abdeckt. Mich interessiert insbesondere wie die Nutzung KI-basierter Systeme bisherige Aufgaben und Arbeitsprozesse beeinflusst und damit einhergehend, wie die Arbeitnehmer*innen auf diese Veränderungen reagieren. Ein super spannendes Thema ist beispielsweise die berufliche Identität. Nah verwandt ist ebenfalls der Bereich der Mensch-Computer Interaktion, der u.a. untersucht, wie Individuen mit dem Output KI-basierter Systeme umgehen. Da das Thema in der Praxis gerade erst so richtig an Schwung gewinnt, gibt es noch viele offene Fragestellungen. Fürs Erste haben wir Anfang des Jahres mit einer Fallstudie begonnen, in der wir die Einführung von Machine Learning in der Finanzplanung begleiten.
Was ist das Ziel des Forschungsprojekts? Welche Ergebnisse werden erwartet?
Leider lassen sich Forschungsergebnisse nicht unbedingt vorhersagen, insbesondere dann, wenn der Mensch einen entscheidenden Faktor spielt. Da die Fallstudie qualitativer Natur ist, kann es gut sein, dass wir am Ende vor ganz anderen Erkenntnissen stehen als wir eigentlich erwartet hätten. Daher lässt sich hierzu noch nicht viel sagen. Was sich allerdings derzeit beobachten lässt ist folgendes: Der aktuelle gesellschaftliche Diskurs dreht sich um die Frage, welchen Einfluss KI-basierte Systeme auf die Arbeit haben - wird der Mensch in Zukunft arbeitslos oder passt er sich den veränderten Bedingungen an? Auch wenn wir zukünftige Entwicklungen nicht vorhersagen können, zeigen viele Studien derzeit, dass Mensch und System sich nicht unbedingt ersetzen, sondern vielmehr gegenseitig ergänzen können. Beide haben ihre jeweiligen Stärken und Limitationen, die sich gut komplementieren. Beispielsweise ist es wahrscheinlich, dass insbesondere die Analyse großer Datenmengen oder zeitintensive repetitive Aufgaben an Systeme übertragen werden, während der Mensch sich mit qualitativen Themen beschäftigt, die Güte des Outputs im Kontext bewertet und daraus sinnvolle Entscheidungen ableitet. Das ist auch im Bereich der Finanzplanung wahrscheinlich, da hier einerseits datengestützte Vorhersagen eine entscheidende Rolle spielen, aber auch ein tiefes, kausales Verständnis über das Geschäft und seine Einflüsse von großer Bedeutung sind.
Welches Fach und an welcher Universität hast du im Vorfeld studiert? Wie bist du zur Wirtschaftsinformatik und zu unserem Institut gekommen?
Ich sage immer, dass ich eine Reise durch die Wirtschaftswissenschaften gemacht habe. Angefangen habe ich mit Kulturwirtschaft im Bachelor an der Universität Duisburg-Essen. Das ist ein interdisziplinärer Studiengang der Wirtschaftswissenschaften und einer Sprachwissenschaft, in meinem Fall Anglistik. Das sind auf den ersten Blick erst einmal zwei sehr unterschiedliche Fächer, die aber in der Kulturwirtschaft zusammenkommen. In diesem Studiengang hatte ich im Grundlagenstudium bereits erste Berührungspunkte mit der Wirtschaftsinformatik, hätte aber zu dem Zeitpunkt nie gedacht, dass ich später einmal in diesem Bereich landen würde.
Da mich während meines Bachelorstudiums vor allem gesamtwirtschaftliche und gesellschaftliche Themen ansprachen, habe ich mich für einen Master im Bereich der VWL entschieden. Neben einem recht ausgeprägten Fokus auf ökonometrische Methoden habe ich mich insbesondere mit Themen im Bereich der Finanzmarktanalyse beschäftigt. Erst zum Ende meines Masters bin ich auf den Bereich der Arbeitsmarktökonomie gestoßen, in dem ich dann auch meine Masterarbeit geschrieben habe.
Im Zuge der Masterarbeit habe ich mich auf Basis eines Paneldatensatzes mit der Frage beschäftigt, wie sich die Teilnahme an Weiterbildungen auf das Einkommen auswirken kann. Und in dem Forschungsfeld spielen auch die Themen rund um die Digitalisierung und dessen Einfluss auf die Arbeitsmärkte eine erhebliche Rolle. Schlussendlich sind die verändernden Anforderungen auf den Arbeitsmärkten durch die Digitalisierung und den Einsatz künstlicher Intelligenz mit die Hauptgründe für eine Weiterbildung. Und das fand ich spannend. Als ich mich entschied dem Thema der Promotion eine Chance zu geben, habe ich mir verschiedene Stellenangebote angeschaut, eigentlich im Bereich der Arbeitsmarkt- bzw. Bildungsökonomie. Durch Zufall habe ich dann die Stellenausschreibung von Benedikt Berger gesehen und allein der Schwerpunkt „Digitale Transformation und Gesellschaft“ weckte mein Interesse. Die Wirtschaftsinformatik hatte ich in dem Sinne gar nicht so auf dem Schirm. Bis auf den Umgang mit Statistiksoftware wie R und STATA hatte ich auch nur wenig Berührungspunkte mit dem Programmieren. Aber ich dachte mir, das könnte spannend sein und habe mich einfach beworben.
Wie sieht ein typischer Arbeitsalltag bei dir aus?
Man befindet sich immer in einem Spannungsfeld zwischen der eigenen Forschung und den Verpflichtungen am Lehrstuhl und in der Lehre. Das ist sowohl das Reizvolle an der Arbeit als wissenschaftliche*r Mitarbeiter*in als auch das Herausfordernde. Daran musste ich mich gerade im ersten Semester gewöhnen, zumal bei uns an der Juniorprofessur viele Prozesse noch nicht so etabliert waren und für mich das Forschungsfeld der WI ein ganz Neues war. Da wir eine Lehrveranstaltung übernommen hatten, steckten wir viel Zeit in die Überarbeitung der Inhalte. Das war einerseits eine gute Möglichkeit, mich mehr in die WI-Literatur einzuarbeiten, andererseits blieb nur wenig Zeit sich mit dem eigenen Forschungsthema zu beschäftigen. In diesem Spannungsfeld bewegt man sich eigentlich die ganze Zeit. Mittlerweile weiß ich aber, was meine konkreten Themen sind und kann meinen Arbeitsalltag gut strukturieren.
Idealerweise sieht der Arbeitsalltag so aus: Ich fange morgens immer mit meinen Mails an und versuche dann, mich am Vormittag mit meiner eigenen Forschung zu beschäftigen. Das ist die Zeit, in der ich am produktivsten und kreativsten bin und die Möglichkeit habe, etwas tiefer zu denken. Nachmittags widme ich mich dann eher der Lehre und den Terminen mit den Studierenden für die Abschlussarbeiten. Je nachdem, ob der Semesterbeginn naht oder eine Deadline kurz bevorsteht, kann der Tag aber auch ganz anders aussehen.
Was gefällt dir besonders an der Arbeit am Institut?
Mir gefällt die Vielfalt der Aufgaben. Einerseits gefällt mir die Arbeit in der Lehre, mit den Studierenden Seminarthemen zu besprechen oder die Übungen zu gestalten. Zum anderen beschäftige ich mich in meiner Forschung mit den Themen, die mich selbst besonders interessieren. Man hat auch sehr viele Freiheiten. Was auf der einen Seite toll ist, weil ich mir meinen Arbeitsalltag frei einteilen kann, aber manchmal auch dazu führt, dass die Grenzen zwischen Privatleben und Arbeit etwas verschwimmen und man erst lernen muss, damit zu jonglieren. Außerdem gefällt mir das internationale Umfeld – da wir uns den Flur mit dem Lehrstuhl von Prof. Klein teilen, sind oft Gastwissenschaftler*innen vor Ort, die immer ein offenes Ohr haben und gerne ihre (oft langjährigen) Erfahrungen teilen. Insgesamt ist das Umfeld sehr dynamisch und jung, was das Arbeiten sehr entspannt und abwechslungsreich macht.
Die Wirtschaftsinformatik erscheint oft als ein männlich dominiertes Arbeits- und Forschungsgebiet. Was hat dich als Frau motiviert, in der WI akademisch tätig zu werden?
Ich will dem gar nicht widersprechen, allerdings ist zumindest das akademische Umfeld meiner Wahrnehmung nach gar nicht so männerdominiert, wie man es von außen vermuten würde. Natürlich sind die Verhältnisse in der Studierendenschaft nicht ausgeglichen, aber gleichzeitig sehe ich mich als Frau bei den Mitarbeitenden am Institut nicht in der Minderheit. In meinem Forschungs- und Arbeitsfeld erscheint es mir nicht nach einer männerdominierten Branche – man muss aber auch dazu sagen, dass wir in unserem Forschungsbereich am Lehrstuhl die typische Schnittstelle der Wirtschaftsinformatik bedienen und somit näher an soziologischen Themen als an rein technischen Themen sind. In der freien Wirtschaft kann das auch wiederum anders aussehen als im universitären Bereich.
Was sind Vorurteile gegenüber der Arbeit im MINT-Bereich, die eigentlich nicht stimmen?
Im Bachelorstudium habe ich die Wirtschaftsinformatik als recht trockenes Fach kennengelernt. Wir mussten viele Definitionen und Prozesse auswendig lernen und lernten SQL-Codes ohne das System wirklich zu nutzen. Natürlich hat sich inzwischen mein Bild über die WI geändert und ich weiß insbesondere das interdisziplinäre Forschungsfeld zu schätzen. Ich wusste schlichtweg nicht, dass gerade soziale Fragestellungen ein wesentlicher Bestandteil der WI sind.
Hast du Tipps für zukünftige Bewerberinnen und Berufseinsteigerinnen?
In der Schule fielen mir sowohl Sprachen als auch Mathe leicht, was ich bei meiner Studienwahl versucht hatte zu berücksichtigen. Unter einem technischen Studium konnte ich mir aufgrund mangelnder Berührungspunkte nur wenig vorstellen, weshalb ich mich dann in die Richtung der Wirtschafts- und Sprachwissenschaften begab. Erst im Studium merkte ich, dass Programmieren wirklich Spaß machen kann und die Technik so viel zu bieten hat. Dementsprechend kann man den Schulabgänger*innen mit auf den Weg geben: Wenn ihr ein bisschen Interesse an Technik habt, am Programmieren, dann probiert das aus! Entweder merkt man, dass das genau das ist, was man schon immer machen wollte, oder man merkt auf dem Weg dorthin, dass es doch nicht so passt. Gerade die Wirtschaftsinformatik bietet genügend Raum mehr in die technische oder wirtschaftliche Richtung zu gehen. Das ist meiner Ansicht nach der entscheidende Aspekt, dass es bei vielen Frauen gar nicht am mangelnden Interesse liegt, sondern an mangelnden Berührungspunkten.
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Dr. Katrin Bergener
Seit wann arbeiten Sie am Institut und welche Aufgaben umfassen Ihren Tätigkeitsbereich?
Ich arbeite schon sehr lange am Institut für Wirtschaftsinformatik. 2006 habe ich hier angefangen und für ein knappes Jahr während meines Studiums als studentische Hilfskraft gearbeitet. Anschließend war ich als wissenschaftliche Mitarbeiterin bei Prof. Becker am Lehrstuhl für Wirtschaftsinformatik und Informationsmanagement tätig und habe 2014 meine Promotion abgeschlossen. Seitdem habe ich vielfältige Aufgaben übernommen. In der Lehre betreue ich beispielsweise mit Armin Stein und Bettina Distel seit Jahren unsere Vorlesung "Einführung in die Wirtschaftsinformatik" für die Erstsemester-Studierenden. Außerdem biete ich mit Kolleg*innen regelmäßig Vertiefungsmodule an, gerne auch mit internationalen Partner*innen, zum Beispiel mit der University of West Georgia. Ich betreue Bachelor- und Masterarbeiten, halte den Bachelorvorbereitungskurs, bin zuständig für das Marketing und die Öffentlichkeitsarbeit und arbeite aktuell auch noch an einem Erasmus+ Forschungsprojekt gemeinsam mit Armin Stein und Kilian Müller sowie Kolleginnen aus Grenoble und Liechtenstein. Darüber hinaus bin ich auch Koordinatorin des WWU Centrum Europa, das ist ein universitätsweites Zentrum, wo sich Mitglieder aus allen Bereichen der Universität, die an europabezogenen Aktivitäten arbeiten, bündeln. Mir wird also nicht langweilig.
Wie hat sich Ihr akademischer und beruflicher Werdegang gestaltet?
Ich bin tatsächlich damals als Fachfremde ans Institut für Wirtschaftsinformatik gekommen. Studiert habe ich Allgemeine Sprachwissenschaft in Münster und in Auckland, Neuseeland. Während meines Studiums habe ich durch Zufall eine Stellenausschreibung am Institut für Wirtschaftsinformatik gesehen, in der studentische Hilfskräfte im Bereich Öffentlichkeitsarbeit und Übersetzungstätigkeiten gesucht wurden. So habe ich dann als Studentin eines ganz anderen Studiengang und das Institut und auch die Vielfalt der Themen, an denen geforscht und gelehrt wird, kennengelernt. Das hat mein Interesse geweckt. Nach meinem Studium hat sich dann die Möglichkeit ergeben, im Forschungsprojekt ManKIP - Management kreativitätsintensiver Prozesse – als wissenschaftliche Hilfskraft mitzuarbeiten. Da habe ich die die Forschungsarbeit immer näher kennengelernt und es reifte über Monate die Idee, vielleicht in dem Kontext auch meine Doktorarbeit zu schreiben. Dafür musste ich aber in einem Zeitraum von zwei Jahren etliche WI-Kurse nachholen, um als Fachfremde in der Wirtschaftsinformatik als Doktorandin für das Promotionsstudium zugelassen zu werden. Das war eine Herausforderung und es war nicht immer einfach. Aber mir hat es Spaß gemacht, es hat gut funktioniert und im Nachhinein kann ich auf jeden Fall sagen, dass es die Sache wert war. Da hat sich für mich ein völlig neuer Bereich erschlossen und wie man sieht, bin ich dann der WI treu geblieben.
Wirtschaftsinformatik wirkt häufig wie ein männerdominiertes Arbeits- und Forschungsfeld. Was hat Sie dazu motiviert, als Frau in der WI akademisch tätig zu werden?
Durch meine Arbeit am ersten Forschungsprojekt ManKIP habe ich schon mitbekommen, wie vielfältig das Fach WI eigentlich ist. Die Wirtschaftsinformatik beschäftigt sich ja grundsätzlich mit der Digitalisierung in Wirtschaft, Verwaltung und Gesellschaft sowie der Entwicklung und Anwendung von Informations- und Kommunikationssystemen in diesen Bereichen. Die fortschreitende Digitalisierung, die man in den letzten Jahrzehnten beobachten konnte, hat natürlich Einfluss auf alle Lebensbereiche und Menschen, unabhängig von ihrem Geschlecht, ihrem Ausbildungshintergrund, ihrem aktuellen Lebensabschnitt etc. Und deswegen denke ich auch, dass das für alle inhärent gleich interessant sein müsste.
Im Rahmen meiner Promotion ging es viel um (virtuelle) kreative Teams und wie diese zusammenarbeiten können, da habe ich mich viel mit der Forschung zu Teamzusammensetzungen beschäftigt. Die Forschung zeigt, dass in diversen Teams (divers meint hier nicht nur geschlechtsspezifisch, sondern auch nach Alter, Sprache und kulturellem Hintergrund), zwar häufig Herausforderungen entstehen, aber dass durch diese verschiedenen Hintergründe auch viel unterschiedliches Wissen mitgebracht wird. Diverse Teams sind häufig innovativer und generell erfolgreicher. Deswegen fände ich es unglaublich wichtig und schön, wenn wir in der WI auch möglichst divers aufgestellt wären. Ich persönlich finde es auch immer spannend mit Leuten mit verschiedenen Hintergründen und Sichtweisen zusammenzuarbeiten. Ich bin davon überzeugt, dass das sowohl für die Lehre als auch für die Forschung bei uns am Institut eigentlich nur förderlich sein kann.
Seit ich am Institut arbeite, hatte ich nie das Gefühl, nicht aufgenommen oder nicht akzeptiert zu sein. Es waren immer mehr Männer als Frauen am Institut, aber das war nie ein Problem, da kann ich echt nur eine Lanze für meine männlichen Kollegen brechen. Nichtsdestotrotz fände ich es schön, wenn wir generell noch diverser werden könnten am Institut für Wirtschaftsinformatik.
Was sind Vorurteile gegenüber der Arbeit im MINT-Bereich, die eigentlich nicht stimmen?
Kinder haben häufig schon kulturelle Vorurteile verinnerlicht, zum Beispiel dass Mädchen sich weniger für Informatik und Naturwissenschaften interessieren als Jungs. Und wenn dann bestimmte Aktivitäten und Schulfächer schon von klein auf so vorurteilsbehaftet sind, dann beeinflusst das natürlich auch das generelle Interesse daran. Wenn ich das als Kind schon immer so mitbekomme, dann komme ich vielleicht auch später nicht auf die Idee, Mathe oder Informatik zu studieren.
Deswegen fände ich es schön, wenn man Jungs und Mädchen möglichst vorurteilsfrei aufzeigen kann, welche Möglichkeiten es für sie im MINT-Bereich gibt. Im besten Fall passiert das spielerisch schon in der Kita und in der Grundschule, indem man völlig wertfrei viel ausprobiert und erlebbar macht.
Das haben wir uns auch bei unserem Projekt digital me vor ein paar Jahren gedacht und haben uns genau das vorgenommen: IT-Berufe erlebbar machen. Dafür haben wir die Website IT for Girls entwickelt, auf der sich Mädchen und junge Frauen spielerisch mit IT-Berufen beschäftigen können. Es gibt einen Avatar, Anna, die durch eine Stadt leitet, in der es verschiedene Häuser gibt, in denen man unterschiedliche IT-Berufe kennenlernt. Und zu jedem Beruf gibt es ein Spiel, in welchem man seine Fähigkeiten für diesen Beruf testen kann, es gibt Videos und Interviews mit Frauen, die in den Berufen arbeiten und erzählen, wie ihr Tag eigentlich strukturiert ist. Damit wollen wir die vielfältigen beruflichen Perspektiven aufzeigen und darüber hinaus veranschaulichen, dass man in IT-Berufen auch kreativ sein kann und häufig im Team arbeitet. Das Ziel war, dass die Mädchen erkunden und selbst erleben können, was es eigentlich heißt, in diesen Berufen zu arbeiten und unter Umständen bestehende Vorurteile abzubauen.Was gefällt Ihnen besonders gut an der Tätigkeit in einer akademischen Einrichtung?
In erster Linie gefällt mir die Freiheit, die ich im Rahmen meiner Tätigkeit habe: Mit dem breiten Spektrum meiner aktuellen Aufgaben kann ich interessensgetriebene Forschungsprojekte beantragen und durchführen. Ich kann Lehrveranstaltungen zu Themen anbieten, die mir Spaß machen und Abschlussarbeiten betreuen, die mich interessieren. Zudem arbeite ich auch sehr gerne in der Forschung und in der Lehre mit internationalen Teams, mit Kolleg*innen aus der ganzen Welt zusammen. Das ERCIS ist für mich über die Jahre wirklich wie eine Familie geworden und man freut sich immer, wenn man Kolleg*innen auf Konferenzen oder Veranstaltungen trifft. Diese engen Verbindung und diesen Austausch mit den internationalen Kolleg*innen finde ich unglaublich wertvoll.
Was für mich ganz persönlich auch nicht zu vernachlässigen ist: An der Universität habe ich mit meiner Tätigkeit sehr viel zeitliche Flexibilität und als Mutter mit zwei Schulkindern ist das schon einmal viel wert. Auch vor Corona hatte ich schon sehr Flexibilität in meiner Arbeit, aber die Pandemie hat uns allen nochmal gezeigt, dass viele unserer Tätigkeiten auch aus dem Home-Office gut funktionieren - diese zeitliche und räumliche Flexibilität ist für einen entspannten Familienalltag unglaublich hilfreich.
Wie sieht ein typischer Arbeitstag aus?
Einen ganz typischen Arbeitsalltag gibt es bei mir nicht wirklich und durch Corona sahen die Arbeitstage in den letzten zwei Jahren auch nochmal ganz anders aus als davor. Aber grundsätzlich:Ich trinke immer zuerst einen Kaffee und checke meine Emails. Dann schaue ich, häufig zusammen mit Armin Stein, was an dem Tag so ansteht, da wir viel in der Lehre und im ERCIS gemeinsam machen. Dann habe ich Termine mit Kolleg*innen intern und extern zur Absprache für Forschungsprojekte, zur Koordination im ERCIS, zu Vorbereitung von Lehre etc., Publikationen müssen gelesen oder an ihnen gearbeitet werden. Darüber hinaus bin ich seit 2016 Koordinatorin des WWU Centrum Europa und in dieser Funktion bin ich auch regelmäßig in Meetings, beantworte Fragen von Forscher*innen zur EU-Förderung, gebe Feedback zu Anträgen oder stelle Kontakte zu Ansprechpersonen in Brüssel her. Dann habe ich natürlich während des Semesters auch noch Lehrtermine dazwischen. Wenn ich Abschlussarbeiten betreue, habe ich dazu natürlich auch regelmäßige Termine mit den Studierenden, um Rücksprache zu halten. Was auch noch zur Arbeit im akademischen Umfeld gehört, ist die akademische Selbstverwaltung, also die aktive Mitarbeit in Gremien oder Kommissionen. Ich finde es sehr wichtig, dass man sich dort einbringt und ich bin schon seit längerem ordentliches Mitglied in der Rektoratskommission Internationalisierung und auch in dem Rahmen gibt es natürlich regelmäßige Treffen oder Arbeitsgruppen. Es sind so vielfältige Aufgaben, jeder Tag sieht anders aus, je nachdem welchen Hut ich gerade auf habe - Europazentrum, ERCIS, Lehre, Forschung oder Öffentlichkeitsarbeit. Gerade das mag ich aber, das macht die Arbeit niemals langweilig.
Was war bisher Ihr spannendstes Projekt?
Ich habe schon an echt vielen interessanten Projekten über die Jahre hinweg gearbeitet, aber ich finde gerade mein aktuell laufendes Erasmus+-gefördertes Projekt AI-bility, das ich mit Armin Stein, Kilian Müller und mit den Kolleginnen aus Grenoble und Liechtenstein durchführe, super spannend. Das Projekt ist gerade erst angelaufen, aber wir wollen in den nächsten zwei Jahren untersuchen, wie Schulkinder im Alter von elf bis dreizehn Jahren mit künstlicher Intelligenz umgehen und dabei Konzepte wie beispielsweise Vertrauen und Intelligenz in Bezug auf Conversational Agents (Alexa, Google Home, Siri etc.) untersuchen. Wir beschäftigen uns also mit Fragen wie: Wie nehmen Kinder künstliche Intelligenz wahr? In welchen Kontexten und für welche Aktivitäten greifen sie auf Conversational Agents zurück? Stellen Kinder die Antworten von Conversational Agents in Frage etc.?
Dafür gehen wir zu unterschiedlichen Schulen und führen dort Fokusgruppeninterviews durch. Basierend auf den Ergebnissen der Interviews werden wir dann ein Experiment aufsetzen und dieses dann im kommenden Jahr an den Schulen durchführen. Damit wollen wir beobachten, ob es für die Kinder einen Unterschied macht, ob sie mit einer Alexa interagieren (kein Körper) oder mit dem Nao-Roboter (ausgefeilter Roboter). Gerade weil das Thema künstliche Intelligenz ein Thema ist, das immer mehr Einfluss in unserer Gesellschaft hat und vielleicht auch, weil ich selbst ein Kind in dem Alter habe, finde ich es spannend zu untersuchen und zu beobachten, wie Kinder mit Conversational Agents umgehen, wie sie diese wahrnehmen und ob man daraus irgendetwas ableiten kann.