Frauen in der Wirtschaftsinformatik

Die WWU sowie unser Institut treten für die Geschlechtergerechtigkeit ein und streben eine Erhöhung des Anteils von Frauen in Forschung und Lehre an. Hier teilen unsere Wissenschaftlerinnen am Institut ihre Erfahrungen über eine wissenschaftliche Karriere in der Wirtschaftsinformatik. Damit möchten wir mehrere Studentinnen ermutigen, eine akademische Laufbahn einzuschlagen.

  • Dr. Katrin Bergener

    Seit wann arbeiten Sie am Institut und welche Aufgaben umfassen Ihren Tätigkeitsbereich?

    Ich arbeite schon sehr lange am Institut für Wirtschaftsinformatik. 2006 habe ich hier angefangen und für ein knappes Jahr während meines Studiums als studentische Hilfskraft gearbeitet. Anschließend war ich als wissenschaftliche Mitarbeiterin bei Prof. Becker am Lehrstuhl für Wirtschaftsinformatik und Informationsmanagement tätig und habe 2014 meine Promotion abgeschlossen. Seitdem habe ich vielfältige Aufgaben übernommen. In der Lehre betreue ich beispielsweise mit Armin Stein und Bettina Distel seit Jahren unsere Vorlesung "Einführung in die Wirtschaftsinformatik" für die Erstsemester-Studierenden. Außerdem biete ich mit Kolleg*innen regelmäßig Vertiefungsmodule an, gerne auch mit internationalen Partner*innen, zum Beispiel mit der University of West Georgia. Ich betreue Bachelor- und Masterarbeiten, halte den Bachelorvorbereitungskurs, bin zuständig für das Marketing und die Öffentlichkeitsarbeit und arbeite aktuell auch noch an einem Erasmus+ Forschungsprojekt gemeinsam mit Armin Stein und Kilian Müller sowie Kolleginnen aus Grenoble und Liechtenstein. Darüber hinaus bin ich auch Koordinatorin des WWU Centrum Europa, das ist ein universitätsweites Zentrum, wo sich Mitglieder aus allen Bereichen der Universität, die an europabezogenen Aktivitäten arbeiten, bündeln. Mir wird also nicht langweilig. 

    Wie hat sich Ihr akademischer und beruflicher Werdegang gestaltet? 

    Ich bin tatsächlich damals als Fachfremde ans Institut für Wirtschaftsinformatik gekommen. Studiert habe ich Allgemeine Sprachwissenschaft in Münster und in Auckland, Neuseeland. Während meines Studiums habe ich durch Zufall eine Stellenausschreibung am Institut für Wirtschaftsinformatik gesehen, in der studentische Hilfskräfte im Bereich Öffentlichkeitsarbeit und Übersetzungstätigkeiten gesucht wurden. So habe ich dann als Studentin eines ganz anderen Studiengang und das Institut und auch die Vielfalt der Themen, an denen geforscht und gelehrt wird, kennengelernt. Das hat mein Interesse geweckt. Nach meinem Studium hat sich dann die Möglichkeit ergeben, im Forschungsprojekt ManKIP  - Management kreativitätsintensiver Prozesse – als wissenschaftliche Hilfskraft mitzuarbeiten. Da habe ich die die Forschungsarbeit immer näher kennengelernt und es reifte über Monate die Idee, vielleicht in dem Kontext auch meine Doktorarbeit zu schreiben. Dafür musste ich aber in einem Zeitraum von zwei Jahren etliche WI-Kurse nachholen, um als Fachfremde in der Wirtschaftsinformatik als Doktorandin für das Promotionsstudium zugelassen zu werden. Das war eine Herausforderung und es war nicht immer einfach. Aber mir hat es Spaß gemacht, es hat gut funktioniert und im Nachhinein kann ich auf jeden Fall sagen, dass es die Sache wert war. Da hat sich für mich ein völlig neuer Bereich erschlossen und wie man sieht, bin ich dann der WI treu geblieben.

    Wirtschaftsinformatik wirkt häufig wie ein männerdominiertes Arbeits- und Forschungsfeld. Was hat Sie dazu motiviert, als Frau in der WI akademisch tätig zu werden?

    Durch meine Arbeit am ersten Forschungsprojekt ManKIP habe ich schon mitbekommen, wie vielfältig das Fach WI eigentlich ist. Die Wirtschaftsinformatik beschäftigt sich ja grundsätzlich mit der Digitalisierung in Wirtschaft, Verwaltung und Gesellschaft sowie der Entwicklung und Anwendung von Informations- und Kommunikationssystemen in diesen Bereichen. Die fortschreitende Digitalisierung, die man in den letzten Jahrzehnten beobachten konnte, hat natürlich Einfluss auf alle Lebensbereiche und Menschen, unabhängig von ihrem Geschlecht, ihrem Ausbildungshintergrund, ihrem aktuellen Lebensabschnitt etc. Und deswegen denke ich auch, dass das für alle inhärent gleich interessant sein müsste. 

    Im Rahmen meiner Promotion ging es viel um (virtuelle) kreative Teams und wie diese zusammenarbeiten können, da habe ich mich viel mit der Forschung zu Teamzusammensetzungen beschäftigt. Die Forschung zeigt, dass in diversen Teams (divers meint hier nicht nur geschlechtsspezifisch, sondern auch nach Alter, Sprache und kulturellem Hintergrund), zwar häufig Herausforderungen entstehen, aber dass durch diese verschiedenen Hintergründe auch viel unterschiedliches Wissen mitgebracht wird. Diverse Teams sind häufig innovativer und generell erfolgreicher. Deswegen fände ich es unglaublich wichtig und schön, wenn wir in der WI auch möglichst divers aufgestellt wären. Ich persönlich finde es auch immer spannend mit Leuten mit verschiedenen Hintergründen und Sichtweisen zusammenzuarbeiten. Ich bin davon überzeugt, dass das sowohl für die Lehre als auch für die Forschung bei uns am Institut eigentlich nur förderlich sein kann. 

    Seit ich am Institut arbeite, hatte ich nie das Gefühl, nicht aufgenommen oder nicht akzeptiert zu sein. Es waren immer mehr Männer als Frauen am Institut, aber das war nie ein Problem, da kann ich echt nur eine Lanze für meine männlichen Kollegen brechen. Nichtsdestotrotz fände ich es schön, wenn wir generell noch diverser werden könnten am Institut für Wirtschaftsinformatik.

    Was sind Vorurteile gegenüber der Arbeit im MINT-Bereich, die eigentlich nicht stimmen?

    Kinder haben häufig schon kulturelle Vorurteile verinnerlicht, zum Beispiel dass Mädchen sich weniger für Informatik und Naturwissenschaften interessieren als Jungs. Und wenn dann bestimmte Aktivitäten und Schulfächer schon von klein auf so vorurteilsbehaftet sind, dann beeinflusst das natürlich auch das generelle Interesse daran. Wenn ich das als Kind schon immer so mitbekomme, dann komme ich vielleicht auch später nicht auf die Idee, Mathe oder Informatik zu studieren.

    Deswegen fände ich es schön, wenn man Jungs und Mädchen möglichst vorurteilsfrei aufzeigen kann, welche Möglichkeiten es für sie im MINT-Bereich gibt. Im besten Fall passiert das spielerisch schon in der Kita und in der Grundschule, indem man völlig wertfrei viel ausprobiert und erlebbar macht.
    Das haben wir uns auch bei unserem Projekt digital me vor ein paar Jahren gedacht und haben uns genau das vorgenommen: IT-Berufe erlebbar machen. Dafür haben wir die Website IT for Girls entwickelt, auf der sich Mädchen und junge Frauen spielerisch mit IT-Berufen beschäftigen können. Es gibt einen Avatar, Anna, die durch eine Stadt leitet, in der es verschiedene Häuser gibt, in denen man unterschiedliche IT-Berufe kennenlernt. Und zu jedem Beruf gibt es ein Spiel, in welchem man seine Fähigkeiten für diesen Beruf testen kann, es gibt Videos und Interviews mit Frauen, die in den Berufen arbeiten und erzählen, wie ihr Tag eigentlich strukturiert ist. Damit wollen wir die vielfältigen beruflichen Perspektiven aufzeigen und darüber hinaus veranschaulichen, dass man in IT-Berufen auch kreativ sein kann und häufig im Team arbeitet. Das Ziel war, dass die Mädchen erkunden und selbst erleben können, was es eigentlich heißt, in diesen Berufen zu arbeiten und unter Umständen bestehende Vorurteile abzubauen.

    Was gefällt Ihnen besonders gut an der Tätigkeit in einer akademischen Einrichtung? 

    In erster Linie gefällt mir die Freiheit, die ich im Rahmen meiner Tätigkeit habe: Mit dem breiten Spektrum meiner aktuellen Aufgaben kann ich interessensgetriebene Forschungsprojekte beantragen und durchführen. Ich kann Lehrveranstaltungen zu Themen anbieten, die mir Spaß machen und Abschlussarbeiten betreuen, die mich interessieren. Zudem arbeite ich auch sehr gerne in der Forschung und in der Lehre mit internationalen Teams, mit Kolleg*innen aus der ganzen Welt zusammen. Das ERCIS ist für mich über die Jahre wirklich wie eine Familie geworden und man freut sich immer, wenn man Kolleg*innen auf Konferenzen oder Veranstaltungen trifft. Diese engen Verbindung und diesen Austausch mit den internationalen Kolleg*innen finde ich unglaublich wertvoll. 

    Was für mich ganz persönlich auch nicht zu vernachlässigen ist: An der Universität habe ich mit meiner Tätigkeit sehr viel zeitliche Flexibilität und als Mutter mit zwei Schulkindern ist das schon einmal viel wert. Auch vor Corona hatte ich schon sehr Flexibilität in meiner Arbeit, aber die Pandemie hat uns allen nochmal gezeigt, dass viele unserer Tätigkeiten auch aus dem Home-Office gut funktionieren - diese zeitliche und räumliche Flexibilität ist für einen entspannten Familienalltag unglaublich hilfreich. 

    Wie sieht ein typischer Arbeitstag aus?

    Einen ganz typischen Arbeitsalltag gibt es bei mir nicht wirklich und durch Corona sahen die Arbeitstage in den letzten zwei Jahren auch nochmal ganz anders aus als davor. Aber grundsätzlich:Ich trinke immer zuerst einen Kaffee und checke meine Emails. Dann schaue ich, häufig zusammen mit Armin Stein, was an dem Tag so ansteht, da wir viel in der Lehre und im ERCIS gemeinsam machen. Dann habe ich Termine mit Kolleg*innen intern und extern zur Absprache für Forschungsprojekte, zur Koordination im ERCIS, zu Vorbereitung von Lehre etc., Publikationen müssen gelesen oder an ihnen gearbeitet werden. Darüber hinaus bin ich seit 2016 Koordinatorin des WWU Centrum Europa und in dieser Funktion bin ich auch regelmäßig in Meetings, beantworte Fragen von Forscher*innen zur EU-Förderung, gebe Feedback zu Anträgen oder stelle Kontakte zu Ansprechpersonen in Brüssel her. Dann habe ich natürlich während des Semesters auch noch Lehrtermine dazwischen. Wenn ich Abschlussarbeiten betreue, habe ich dazu natürlich auch regelmäßige Termine mit den Studierenden, um Rücksprache zu halten. Was auch noch zur Arbeit im akademischen Umfeld gehört, ist die akademische Selbstverwaltung, also die aktive Mitarbeit in Gremien oder Kommissionen. Ich finde es sehr wichtig, dass man sich dort einbringt und ich bin schon seit längerem ordentliches Mitglied in der Rektoratskommission Internationalisierung und auch in dem Rahmen gibt es natürlich regelmäßige Treffen oder Arbeitsgruppen. Es sind so vielfältige Aufgaben, jeder Tag sieht anders aus, je nachdem welchen Hut ich gerade auf habe - Europazentrum, ERCIS, Lehre, Forschung oder Öffentlichkeitsarbeit. Gerade das mag ich aber, das macht die Arbeit niemals langweilig.

    Was war bisher Ihr spannendstes Projekt? 

    Ich habe schon an echt vielen interessanten Projekten über die Jahre hinweg gearbeitet, aber ich finde gerade mein aktuell laufendes Erasmus+-gefördertes Projekt AI-bility, das ich mit Armin Stein, Kilian Müller und mit den Kolleginnen aus Grenoble und Liechtenstein durchführe, super spannend. Das Projekt ist gerade erst angelaufen, aber wir wollen in den nächsten zwei Jahren untersuchen, wie Schulkinder im Alter von elf bis dreizehn Jahren mit künstlicher Intelligenz umgehen und dabei Konzepte wie beispielsweise Vertrauen und Intelligenz in Bezug auf Conversational Agents (Alexa, Google Home, Siri etc.) untersuchen. Wir beschäftigen uns also mit Fragen wie: Wie nehmen Kinder künstliche Intelligenz wahr? In welchen Kontexten und für welche Aktivitäten greifen sie auf Conversational Agents zurück? Stellen Kinder die Antworten von Conversational Agents in Frage etc.? 

    Dafür gehen wir zu unterschiedlichen Schulen und führen dort Fokusgruppeninterviews durch. Basierend auf den Ergebnissen der Interviews werden wir dann ein Experiment aufsetzen und dieses dann im kommenden Jahr an den Schulen durchführen. Damit wollen wir beobachten, ob es für die Kinder einen Unterschied macht, ob sie mit einer Alexa interagieren (kein Körper) oder mit dem Nao-Roboter (ausgefeilter Roboter). Gerade weil das Thema künstliche Intelligenz ein Thema ist, das immer mehr Einfluss in unserer Gesellschaft hat und vielleicht auch, weil ich selbst ein Kind in dem Alter habe, finde ich es spannend zu untersuchen und zu beobachten, wie Kinder mit Conversational Agents umgehen, wie sie diese wahrnehmen und ob man daraus irgendetwas ableiten kann.